Systematische Einordnung des
Raupenkeulenpilzes Cordyceps sinensis
Der Tibetische Raupenkeulenpilz wird im Reich der Pilze (Fungi) der Abteilung der Schlauchpilze (Ascomyceten) zugeordnet. Dabei gehört er – wie das Mutterkorn – in die Familie der Clavicipitaceae, deren Pilze alle parasitisch leben. Das heißt, die Entwicklung des Tibetischen Raupenkeulenpilzes ist von dem Vorhandensein seines Wirtes abhängig, er tritt als Art nicht ohne diesen auf.
Wirtstiere des Tibetischen Raupenkeulenpilzes sind die zur Ordnung der Schmetterlinge (Lepidoptera) und der Familie Hepialidae gehörenden Wurzelbohrer der Gattungen Thitarodes und Hepialus. Umgangssprachlich wird der Tibetische Raupenkeulenpilz einfach als Cordyceps bezeichnet.
Die Merkmale - der Wirt – Wurzelbohrer
Wurzelbohrer können als Falter keine Nahrung aufnehmen, weshalb sie nur wenig Zeit haben, sich fortzupflanzen. Die Weibchen können zwischen 20.000 und 30.000 Eier ablegen. Die meist nur unterirdisch lebenden Raupen ernähren sich hauptsächlich von verschiedenen Pflanzenwurzeln und kommen nur nachts an die Oberfläche, um überirdische Pflanzenteile zu fressen. Gewöhnlich befällt der Tibetische Raupenkeulenpilz die Art Hepialus armoricanus (Fledermausmotte).
Der Parasit – Tibetischer Raupenkeulenpilz
Der Pilz hat einen einzigartigen Lebenszyklus. Er befällt die wurzelbohrenden Larven von Motten der in Tibet endemischen Gattung Thitarodes, Verwandte des Hopfenspinners (Hepialus humuli). Nach Befall der Larve ernährt sich der Pilz vom Gewebe dieser Raupe. Im Herbst, kurz bevor der Pilz die Raupe schließlich umbringt, dirigiert der Pilz die Raupe in seine letzte Ruhestätte, ein paar Zentimeter unter die Erdoberfläche. Nicht befallene Raupen graben sich 20-50cm tief in den Boden ein, um den frostigen tibetischen Winter zu überstehen. Im Frühjahr ist von der Raupe nur noch das Exoskeleton vorhanden, alle inneren Organe und Gewebe sind von Hyphen, den feinen Fäden des Pilzmyzeliums, ersetzt worden. Aus dem Kopf der Raupe wächst schließlich der 5-15cm lange, sporenproduzierende Fruchtkörper des Pilzes, der an eine lang gestreckte Keule erinnert. Der dunkelbraune Pilz ragt aus dem Erdreich und ist nur für geübte und scharfe Augen auffindbar.
Bedrohung
Fehlende Informationen über die Bestände des Tibetischen Raupenkeulenpilzes erschweren seine Aufnahme in die internationalen Roten Listen. Inzwischen wurde er aber in die Rote Liste (Klasse II) geschützter Arten Chinas aufgenommen.
Neben einer erhöhten Nachfrage zur medizinischen Verwendung ist dies darauf zurückzuführen, dass der Pilz inzwischen in einheimischen, gehobenen Kreisen großen Wert erlangt hat.
Mit den steigenden Preisen, stiegen auch die Erntemengen von Cordyceps in Nepal und anderen Himalaja-Regionen extrem an. Jedes Jahr werden zum Beispiel hunderttausende Exemplare im tibetischen Hochland gesammelt. Die lokalen Sammler erhalten allerdings weniger als 15 Prozent des chinesischen Marktpreises.
So wie der Tibetische Raupenkeulenpilz werden weltweit ca. 50.000 bis 70.000 Pflanzen- und Pilzarten
für medizinische bzw. aromatische Zwecke in freier Wildbahn gesammelt.